Der böse Leitzins
Der Leitzins in den USA wurde im Juli bereits zum 11. Mal seit dem Jahr 2022 angehoben. Dieser Umstand besorgt viele Anlegerinnen und Angler. Denn seit der Jahrtausendwende folgten auf Zinserhöhungen immer ein Börsencrash bzw. ein Bärenmarkt. Wir gehen in diesem Beitrag der Frage nach, ob wir in Anbetracht der massiv gestiegenen Zinsen bald mit einem Abschwung an den Märkten rechnen müssen.
Dotcom-Blase
Im Jahr 2001 ereignete sich ein Börsencrash mit Bärenmarkt, welcher oft als Dotcom-Blase bezeichnet wird. Diese Krise wurde durch den Zusammenbruch vieler Technologieunternehmen und Internetfirmen verursacht, die zuvor stark überbewertet waren. Der Aktienmarkt, insbesondere im Technologiesektor, erlebte einen dramatischen Einbruch. Die dadurch entstandenen Vermögenseinbussen reichten sogar aus, um eine Rezession in den USA und anderen Ländern herbeizuführen. Wobei man sagen muss, dass der Wirtschaftsrückgang relativ milde war.
Die Amerikanische Zentralbank (Fed), senkte als Reaktion auf die sich verschlechternde Wirtschaftslage den Leitzins. Die Senkung der Zinsen war also eine Massnahme zur Stimulierung der Wirtschaft und zur Bekämpfung der Rezession, die durch den Zusammenbruch der Dotcom-Blase ausgelöst wurde.
Im Zeitraum um die Jahrtausendwende gab es zwar diverse Zinserhöhungen. Wichtig zu sehen ist jedoch, dass die Zinsen nicht in den Crash hinein erhöht wurden. Bereits ein gutes Stück vor der Krise verlief der Leitzins in den USA seitwärts. Der Absturz des Aktienmarktes und die anschliessende wirtschaftliche Unsicherheit waren vielmehr das Ergebnis von spekulativen Übertreibungen im Technologiesektor, gefolgt von einer allgemeinen Korrektur der Märkte.
Finanzkrise 2008
Im Jahr 2008 begann die Finanzkrise mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers im September. Wobei man sagen muss, dass die Wirtschaft und der Finanzsektor bereits deutlich vorher, zu bröckeln begannen. Dies führte zu einem erheblichen Abschwung auf den globalen Aktienmärkten. Die Krise wurde jedoch nicht durch eine Erhöhung der Leitzinsen ausgelöst.
Die Finanzkrise von 2008 wurde durch eine Kombination von Faktoren verursacht, darunter riskante Hypothekenpraktiken, mangelnde Regulierung der Finanzmärkte, übermässige Verschuldung und ein komplexes Netzwerk von Finanzprodukten, die auf minderwertigen Hypotheken basierten. Die Krise führte zu einer massiven Vertrauenskrise im Bankensektor und löste weltweit eine Reihe von wirtschaftlichen Problemen aus, darunter Bankenpleiten, Arbeitsplatzverluste und einen erheblichen Einbruch der globalen Wirtschaftsaktivität.
Zur Bewältigung der Krise senkten viele Zentralbanken, darunter das Fed, ihre Leitzinsen drastisch, um die Liquidität im Finanzsystem zu erhöhen und die Kreditvergabe zu fördern. Eine Erhöhung des Leitzinses war also nicht der Auslöser des Crashes, sondern vielmehr eine Massnahme, um auf die Krise zu reagieren und die wirtschaftliche Stabilität wiederherzustellen. Gleich wie bei der Dotcom-Blase, wurden die Zinsen zwar im Vorfeld erhöht. Tatsächlich verlief der Leitzins vor dem Börseneinbruch aber längere Zeit seitwärts.
Fazit
Wie Sie sehen, war der Leitzins seit der Jahrtausendwende nicht der Auslöser für die Baissen an den Märkten. Sowohl während der Dotcom- und der Finanzkrise waren es Übertreibungen an der Börse, welche die Aktienkurse in den Keller sausen liessen. Von einer solchen Übertreibung kann aktuell, ausser vielleicht in einzelnen Industrien, nicht die Rede sein.
Investorinnen und Investoren sollten aber trotzdem auf die Zinsen hören. Besonders wenn der Leitzins wieder sinkt. Obwohl der Crash meistens vor der Zinssenkung eintrifft, dürfte ein sinkender Leitzins als Zeichen für eine schwächelnde Wirtschaft gewertet werden. Das wiederum dürfte zu einer längeren Periode mit gedämpften Aktienkursen führen. Solange die Wirtschaft stabil bleibt, können auch die Zinsen hoch bleiben. Der Umstand, dass die Zinsen gestiegen sind, muss nicht bedeuten, dass wir bald einen Börsencrash sehen werden.
Ein viel Besorgnis erregenderes Zeichen für einen baldigen Wirtschaftsabschwung ist ohnehin die inverse Zinskurve in den USA. Historisch betrachtet folgte auf eine solche Umkehrung der Zinskurve immer eine Rezession.
„Every recession has been presaged by one thing and one thing only which is an inversion of the yield curve.” - Zitat: David Rosenberg
Autor: Lorenz Dietrich
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